Im Januar 2013 veröffentlichte die Landesbeauftragte für den Datenschutz und das Recht auf Akteneinsicht Datenschutzrechtliche Hinweise zu Aus
kunft und Akteneinsicht im Kontext der „Heimerziehung in der DDR“. Darin enthalten sind auch Hinweise zu Anbietungspflicht und Archivierung sowie zur Nutzung nach den Bestimmungen des Brandenburgischen Archivgesetzes
(BbgArchivG). Die für Archive wesentlichen Punkte sind im Folgenden zusammengefasst und erläutert.
Nach den Bestimmungen des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches sind Sozialdaten zu löschen, sobald ihre Kenntnis für die rechtmäßige Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Unter bestimmten Umständen, insbesondere im Interesse der Betroffenen kann an die Stelle der Löschung die Sperrung treten, d.h. die Daten bleiben erhalten, dürfen aber nur mit Einwilligung des/der Betroffenen oder unter bestimmten Voraussetzungen für die wissenschaftliche Forschung genutzt werden.
Die zu löschenden Daten sind nach § 4 Abs. 2 BbgArchivG zunächst dem zuständigen Archiv unverändert anzubieten. Im Falle von Unterlagen des Jugendamtes ist dies das jeweilige Kreis- bzw. Stadtarchiv. Wer
den die Daten durch das zuständige Archiv als archivwürdig bewertet, tritt die Archivierung an die Stelle der Löschung. Dem Löschungsgebot wird insofern Genüge getan, als die Daten mit der Archivierung dem Verwaltungsgebrauch entzogen werden. Die Übergabe personenbezogener Daten an ein öffentliches Archiv ist somit der Löschung dieser Daten gleichzusetzen. Eine Vernichtung von Unterlagen ohne vorherige Anbietung an das Archiv ist in jedem Fall rechtswidrig.
Auch Unterlagen, die Geheimhaltungsvorschriften unterliegen, fallen unter
die Anbietungspflicht. Somit wird auch das Sozialgeheimnis durch die archivrechtlichen Vorschriften in gewissem Sinne durchbrochen.
Doch haben auch die Archive die für die abgebende Stelle geltenden Vorschriften über die Verarbeitung und Sicherung dieser Unterlagen zu beachten. Insofern unterliegen Archivmitarbeiter ebenso wie Jugendamtsmitarbeiter dem Sozialgeheimnis. Nach der Übernahme der archivwürdigen Unterlagen als Archivgut haben Jugendamtsmitarbeiter im Rahmen ihrer Aufgaben keinen Zugriff mehr auf die Akten.
Akten, die schon vor längerem hätten gelöscht werden müssen, sich aber noch in den Jugendämtern befinden, können zunächst dort verbleiben, solange Vereinbarungen über Leistungen aus dem „Fonds Heimerziehung in der DDR“ geschlossen werden können, zurzeit bis zum 30. Juni 2016. Insofern ist die Aufbewahrungsfrist verlängert. Die Akten gelten als gesperrt, sind also im Wesentlichen nur durch die Betroffenen zu benutzen.
Gleiches muss auch für die entsprechenden Akten in den Zwischenarchiven gelten. Zwar kann dort (theoretisch) eine Bewertung erfolgen, eine Vernichtung nicht archivwürdiger Akten ist zurzeit ausgeschlossen. Dass die momentane Nutzung der Akten zu Entschädigungszwecken Einfluss auf eine spätere Bewertungsentscheidung haben wird, ist zu vermuten. Insofern wird empfohlen, die Bewertung der
entsprechenden Akten erst nach Abschluss der Entschädigungsleistungen vorzunehmen.
Für die Unterlagen, die sich in den Zwischenarchiven befinden, gelten die Vorschriften des Sozialgesetzbuches über Akteneinsicht bzw. Auskunft. Das Akteneinsichts- und Informationsfreiheitsgesetz ist nicht einschlägig. Angesichts der diffizilen rechtlichen Lage im Sozialrecht, die in den Hinweisen der Landesdatenschutzbeauftragten dargelegt wird, wird den Archiven dringend empfohlen, die Einsichtnahme entsprechend § 5 Abs. 5 BbgArchivG nur durch die Jugendämter vornehmen zu lassen.
Unterlagen, die sich bereits als Archivgut im Endarchiv befinden, sind nach den Bestimmungen des Brandenburgischen Archivgesetzes zu benutzen. Eine Ausleihe solcher Akten an das Jugendamt während der laufenden Schutzfrist ist zumindest problematisch, da die Übernahme an die Stelle der Löschung getreten ist. Zu beachten ist, dass für Unterlagen, die dem Sozialgeheimnis unterliegen, eine 60-jährige Schutzfrist besteht, die nicht verkürzt werden kann. Auskunftserteilung an oder Einsichtnahme durch Betroffene nach § 8 Abs. 1 BbgArchivG ist aber möglich.
Dass auch andere Personen in der jeweiligen Akte genannt werden, muss eine Auskunftserteilung an bzw. Einsichtnahme durch Betroffene nicht verhindern. Teilweise bestehen Ansprüche auch dort, wo es auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist. So können etwa Angaben über das Verhältnis zwischen einem Kind und einem Elternteil in einer Jugendhilfeakte einen Bezug auf den anderen Elternteil haben, wenn es beispielsweise um das Sorgerecht geht. Auch dieser (vielleicht namentlich nicht einmal genannte)
andere Elternteil kann hier einen Einsichtsanspruch als Betroffener haben (11. Tätigkeitsbericht des Sächsischen Datenschutzbeauftragten 2003, S. 122 – 124, „Verdeckter zusätzlicher Personenbezug“). Erforderlich ist hier eine Abwägung zwischen dem Auskunftsanspruch und den schutzwürdigen Interessen Dritter im Einzelfall. Der Auskunftsanspruch darf dabei nicht ins Leere laufen.