Rekonstruieren und Auswerten – Die Provenienzforschung

Die Provenienzforschung plant, die rund 42.000 personenbezogenen Akten der Vermögensverwertungsstelle des OFP Berlin-Brandenburg elektronisch nach Hinweisen auf den nationalsozialistischen Kulturgutraub zu durchsuchen. Dabei sollen zum einen geraubtes Kunst- und Kulturgut den früheren Eigentümer*innen zugeordnet werden. Zum anderen soll durch eine gezielte Suche in den Akten ermittelt werden, welche Einrichtungen und Personen Kunstobjekte erwarben, wenn diese zu Gunsten der Staatskasse „verwertet“ wurden. Sofern sie in der Lost-Art-Datenbank registriert sind, erhalten Nachkommen von NS-Verfolgten oder deren Vertreter*innen Ergebnisse zu Fundorten. Wenn in ihrem Bestand NS-Raubkunst zu vermuten ist, werden öffentliche Einrichtungen darüber informiert.

Die systematische Verwertung jüdischen Eigentums als Forschungsfeld

Forschungsfeld sind die behördlichen Abläufe in den Akten, die – legitimiert durch die 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom November 1941 – dazu dienten, auf kurzem Wege und ohne weiteren bürokratischen Aufwand die Staatskasse zu füllen und den Krieg mitzufinanzieren. Es ging dem NS-Staat um die restlose Verwertung sogenannten jüdischen Eigentums. Darunter fallen die aktenkundigen Kunst- und Kulturgutobjekte aus den letzten Habseligkeiten der Deportierten sowie das seit Jahren beschlagnahmte und eingelagerte „Umzugsgut“ von Flüchtlingen.

Wer hat NS-Raubkunst erworben und wo können sich diese Werke heute befinden? Um der Frage nach den Rechtsnachfolgern der damaligen Erwerber und nach heutigen Standorten der Kunstobjekte nachzugehen, konzentrieren sich die Forschungen auf das Führermuseum Linz, die Staatlichen Museen zu Berlin, NS-Ministerien und andere Akteure, die durch Gesetze und amtliche Verfügungen in die Lage versetzt wurden, Kunstobjekte aus ehemaligem jüdischem Besitz privilegiert zu erwerben. Ein Forschungsschwerpunkt ist daher die seit März 1941 von Amtswegen angeordnete „Verwertung durch Versteigerung“ und alle in diesem Zusammenhang stehenden Vorgänge.


Anforderungen für die elektronische Auswertung definieren

Um die Anforderungen an das zu entwickelnde Daten-Management-System definieren zu können, werten die Provenienzforscher*innen zurzeit Testdigitalisate aus, die beispielhaft für die Bandbreite der damals bei der Vermögensverwertungsstelle entstandenen Dokumente zum Kunstraub sind.

Hintergrund

Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und die am Projekt beteiligten Förderer wollen der moralischen Verpflichtung Deutschlands Ausdruck verleihen, während der NS-Zeit geraubtes oder erpresstes Kulturgut an die Rechtsnachfolger*innen von Opfern nationalsozialistischer Verfolgung zu restituieren. Für diese mit der Unterzeichnung der Washington Principles im Jahre 1998 gegebene rein moralische Zusage gibt es in Deutschland keine gesetzliche Grundlage. Restitution basiert auf Freiwilligkeit. Das Projekt soll helfen, Kunstbesitz zu bestätigen, Standorte von Raubkunst zu identifizieren, um den NS-Kunstraub zu präzisieren und bestehende Provenienzlücken zu schließen.

Ansprechpartnerinnen für die Provenienzforschung

Ein Fallbeispiel: Die Kunstsammlung der Brüder Arthur und Eugen Goldschmidt

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