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Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

- Erschienen am 27.01.2022
Julius Schoeps und Helene Haase

Wer waren Julius Schoeps und Helene Haase? Anlässlich des Gedenktages für die Verfolgten des NS-Regimes stellen die Provenienzforscherinnen Stella Baßenhoff und Johanna Heil zwei Biografien vor, zu denen sie im Rahmen des OFP-Projektes am Landeshauptarchiv forschen.

Die Akten der Vermögensverwertungsstelle beim Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg dokumentieren, wie sich der nationalsozialistische Staat an den NS-Verfolgten bereicherte; sie geben Einblicke in die Lebensumstände und Verfolgungsschicksale Tausender Menschen aus Berlin und Brandenburg. Über das Leben vor der NS-Verfolgung verraten sie meist weniger. Anlässlich des heutigen Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus berichten wir von zwei Menschen, die uns in den Akten der „Vermögensverwertungsstelle“ begegnet sind: Dr. Julius Schoeps und Helene Haase.

Der Sanitätsrat Dr. Julius Schoeps (1864-1942)

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Foto von Dr. Julius Schoeps aus einem Familienalbum; Quelle: Privatarchiv Julius H. Schoeps

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Julius Schoeps wurde 1864 in Neuenburg (heute: Nowe, Polen), geboren. Nach seinem Medizinstudium in den 1880-90er Jahren ließ er sich im Jahr 1891 in Berlin als Arzt nieder. 1908 heiratete er seine Frau Käte, geb. Frank. Die beiden hatten zwei Kinder: Hans-Joachim und Konrad. Im Ersten Weltkrieg leitete er u.a. ein Reservelazarett in Berlin, 1920 bekam er den Dienstgrad eines „Oberstabsarztes der Reserve“ verliehen. Er praktizierte als Kassen- und Privatarzt. Julius Schoeps besaß mehrere Mietshäuser, vor allem in Westen der Stadt. Das Ehepaar Schoeps nahm am gesellschaftlichen Leben in Berlin teil: Sie besuchten die Königliche Oper oder das Königliche Schauspielhaus und unternahmen zahlreiche Reisen.

1938 wurde Julius Schoeps aufgrund seiner jüdischen Herkunft der Arzttitel entzogen und er musste seine Praxis und seinen Wohnsitz in der Hasenheide aufgeben. Das Ehepaar Schoeps zog nach Charlottenburg in die Bismarckstraße 67 und danach in die Reichsstraße 106 in eine sogenannte „Judenwohnung“, die er untervermieten musste. Julius und Käte Schoeps wurden am 4. Juni 1942 mit dem 2. Alterstransport aus Berlin in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Der Sohn Hans-Joachim floh 1938 nach Schweden, Konrad war bereits zuvor verstorben.

Julius Schoeps überlebte nur kurze Zeit in Theresienstadt; er starb im Dezember 1942. Bei der Deportation hatten die Nationalsozialisten ihm die benötigten Medikamente abgenommen. Seine Frau Käte wurde am 18. Mai 1944 weiter in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz verschleppt, wo sich ihre Spur verliert. Zwei Monate nach der Deportation des Ehepaares Schoeps wurden ihre letzten Habseligkeiten aus der Berliner Wohnung von der „Vermögensverwertungsstelle“ verkauft.

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Helene Haase, geb. Wittenberg (1873-1961)

Die 1873 in Culmsee (heute: Chełmża, Polen) geborene Helene Wittenberg besuchte die höhere Töchterschule und studierte im Anschluss Medizin, Kunstgeschichte und Soziale Fürsorge in Göttingen. Seit ca. 1910 lebte sie zusammen mit ihrem Ehemann, dem Textilunternehmer Max Haase, in Berlin. Das erfolgreiche Geschäft ermöglichte es dem Ehepaar, Anfang der 1930er Jahre ein Haus in Dahlem zu erwerben und Kunst zu sammeln.

Als Max Haase 1934 verstarb, war Helene Haase in den nächsten Jahren den zahlreichen antisemitischen Maßnahmen alleine ausgesetzt. Dazu zählte die Zahlung einer Sicherheitsleistung für eine ihr unterstellte Flucht in Höhe von 41.500 Reichsmark, des Weiteren 49.000 Reichsmark Judenvermögensabgabe und die Zwangsabgabe von Schmuck, Edelmetallen sowie Pelzen. Das Haus in Dahlem musste sie 1939 an die Waffen-SS verkaufen und zwei Zimmer in einer „Judenwohnung“ in der Levetzowstraße 13a beziehen. Den Kaufpreis für ihr Haus hat sie nie erhalten. Mit dem 5. Alterstransport am 12. Juni 1942 wurde sie – wenige Tage nach dem Ehepaar Schoeps – in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Unmittelbar danach veräußerten die NS-Behörden ihren verbliebenen Besitz vollständig. Zu diesem Zeitpunkt besaß Helene Haase noch einige wertvolle Gemälde, die die „Vermögensverwertungsstelle“ freihändig verkaufte und versteigerte. Darunter befanden sich auch Gemälde von Lovis Corinth und Karl Hagemeister, die durch Hans W. Lange versteigert wurden.

Helene Haase war bis zur Befreiung als Blockoberschwester im Ghetto Theresienstadt tätig und überlebte trotz Typhusinfektion. Sie verstarb 1961 nahezu mittellos in einem Pflegeheim in der Schweiz.

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Versteigerungsauftrag für die Gemälde von Lovis Corinth und Karl Hagemeister an das Auktionshaus Hans W. Lange, Berlin; Quelle: BLHA Rep. 36 A Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg (II), Nr. 13399, Bl. 43

Die Akten im Brandenburgischen Landeshauptarchiv

Die rund 42.000 personenbezogenen Akten des Bestandes Rep. 36A Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg (II) dokumentieren die Arbeit der nationalsozialistischen „Vermögensverwertungsstelle“ und damit die systematische Verwertung des Vermögens von als jüdisch oder reichsfeindlich verfolgten Personen. Im Rahmen eines Projektes zur Provenienzforschung werden sie zurzeit restauriert, digitalisiert und ausgewertet.

  • Akte zu Dr. Julius Schoeps: BLHA, Rep. 36A Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg (II) Nr. 34528
  • Akte zu Helene Haase: BLHA, Rep. 36A Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg (II) Nr. 13399