Wie lassen sich Eigentümer*innen und Käufer*innen von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut in Auktionskatalogen entschlüsseln, wenn nur Abkürzungen angegeben sind? Die Provenienzforscherinnen im OFP-Projekt geben ihre Erkenntnisse an eine einschlägige Datenbank weiter – so kürzlich zum Besitz zweier als jüdisch Verfolgter: Dr. Arthur Wolff Donig und Martha Händler, geb. Katz.
Historische Auktionskataloge entschlüsseln
Die Recherchen der Provenienzforscherinnen im OFP-Projekt führen immer wieder zu historischen Auktionskatalogen aus der Zeit von 1933 bis 1945. Ein großer Teil dieser Kataloge befindet sich online auf der von der Universitätsbibliothek Heidelberg betreuten Website „German Sales – Quellen zu Kunsthandel und Provenienzforschung“.
In den dort eingestellten Katalogen ist es möglich, die oft hinter Abkürzungen oder Zahlenkombinationen verborgen Einlieferer*innen oder auch Käufer*innen der Versteigerungs-Objekte für alle sichtbar zu entschlüsseln: Forscher*innen können Annotationen verfassen, die auf der Plattform veröffentlicht werden.
„Besitz D.“ – erzwungener Verkauf
Es ließ sich der Einlieferer von dem bei German Sales eingestellten Auktionskatalog von Dr. Walter Achenbach „Luxuswohnung und Gemäldesammlung“ vom 8. September 1937 ermitteln.
Hinter der Angabe „Besitz D.“ verbirgt sich Dr. Arthur Wolff Donig, zu dem sich eine Akte im Bestand der Vermögensverwertungsstelle des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg befindet.
Wer war Arthur Wolff Donig?
Der Jurist Arthur Wolff Donig, geboren am 13. November 1881 in Frankfurt am Main, galt nach Definition des NS-Regimes als Jude und war somit der zunehmenden antisemitischen Verfolgungspolitik ausgesetzt.
Neben einer 1928 errichteten Villa in der Petzower Straße 13 in dem Berliner Stadtteil Wannsee unterhielt Arthur Donig eine möblierte 6-Zimmer-Wohnung Am Park 15 in Berlin-Schöneberg. Nach eigenen Angaben musste er die Wohnung wegen der zunehmenden Verfolgung aufgeben und fasste den Entschluss die Einrichtung zu verkaufen.
Er beauftragte den Auktionator Dr. Walther Achenbach mit dem Verkauf der Wohnungseinrichtung. Die Auktion fand am 8. September 1937 direkt in der Wohnung von Arthur Donig in Schöneberg statt.
Schnell wandelte sich die Versteigerung zu einer „Zwangsauktion“, bei der die Sturmabteilung anwesend war und die Besucher*innen kontrollierte. Den Erlös aus der Versteigerung habe Donig nie erhalten.
Verbleib der unverkauften Gegenstände
Möglich ist, dass sich einige der 1937 unverkauften Objekte in dem 1940 durch die Geheime Staatspolizei beschlagnahmten Umzugsgut von Arthur Donig im Hamburger Freihafen befanden. Zum Inhalt des sichergestellten Liftvans zählten unter anderem mehrere Ölbilder und Aquarelle, die durch den Versteigerer Carl F. Schlüter zu Gunsten des Reiches verkauft wurden.
Zu der vollständen Annotation gelangen Sie hier: https://doi.org/10.11588/anno.diglit.2165dbf0-8913-4b6a-b224-3bdbd3fd22f9
Die in dem Bestand der Vermögensverwertungsstelle des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg überlieferte Akte zu Arthur Donig können Sie hier online einsehen: https://blha-recherche.brandenburg.de/de/#/details?selectedId=1982034
„Kunstbesitz H.“ – Wohnungsaufgabe
Auch bei der Versteigerung einer „Wohnungs-Einrichtung“ in Berlin-Schmargendorf durch das Versteigerungshaus Gerhard Harms ließ sich die Einlieferin der Objekte ermitteln.
Bei dem „Kunstbesitz H.“ handelte es sich um den Besitz von Martha Händler, geb. Katz.
Wer war Martha Händler, geb. Katz?
Martha Händler, geb. Katz, geboren am 28. November 1863 in Berlin, wurde während des Nationalsozialismus als Jüdin verfolgt. Am 17. März 1943 wurde die 79-jährige Witwe mit dem sogenannten 4. großer Alterstransport nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet.
Zum Zeitpunkt ihrer Deportation bewohnte sie ein möbliertes Zimmer in einer sogenannten „Judenwohnung“ in der Sächsischen Straße 5, Berlin. Selbst besaß sich nichts mehr, wie ihre Akte bei der Vermögensverwertungsstelle dokumentiert.
Bis zum 1. April 1934 hatte sie eine Wohnung am Hohenzollerndamm 112 bewohnt. Bereits am 26. Februar 1936 stellte Martha Händler den Versteigerungsauftrag zum Verkauf ihrer Wohnungseinrichtung. Als Grund der Versteigerung gab sie „Wohnungsaufgabe“ an.
Am 31. März 1936 fand schließlich die Versteigerung in ihrer Wohnung am Hohenzollerndamm 112 durch Gerhard Harms statt.
Die Versteigerung von 1936 spielte zwar keine Rolle bei der Vermögensverwertung durch die NS-Finanzbehörde im Zuge ihrer Deportation 1943, dennoch sind die Versteigerungsunterlagen in Händlers Akte der Vermögensverwertungsstelle überliefert.
Die Vermögensverwertungsstellenakte von Martha Händler können Sie hier online einsehen: https://blha-recherche.brandenburg.de/de/#/details?selectedId=1988110
Zu der vollständen Annotation gelangen Sie hier: https://doi.org/10.11588/anno.diglit.3cda9f47-f4c6-4d6f-8257-f9252cc23127