Der Weg einer Münzsammlung
- Erschienen amIn der Akte der Vermögensverwertungsstelle zu Emil Julius Gumbel (1891–1966) sind die Beschlagnahmung und der Verkauf seiner Münzsammlung überliefert. Mehr noch: Aus der Akte lassen sich eindeutige Hinweise zum heutigen Standort einiger Münzen entnehmen.
Der Mathematiker und politische Publizist Emil Julius Gumbel floh bereits im Herbst 1932 vor der drohenden Verfolgung durch die Nationalsozialisten nach Paris. Im August 1933 verlor er die deutsche Staatsbürgerschaft auf Grundlage des „Gesetzes über den Widerruf von Einbürgerung und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit“. Er zählte damit als einziger Wissenschaftler zu den 33 Personen, die auf der ersten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reiches standen.
Die Nationalsozialisten haben das inländische Vermögen von Emil Julis Gumbel gleichzeitig zu seiner Ausbürgerung beschlagnahmt. Im Februar 1934 erklärte es der NS-Staat als dem Deutschen Reich verfallen und veräußerte Gumbels Besitz zu Gunsten der Staatskasse – darunter auch eine Münzsammlung.
Die Überlieferung in der Akte der Vermögensverwertungsstelle
Im August 1934 meldete das Geheime Staatspolizeiamt an das Finanzamt Moabit-West – zu diesem Zeitpunkt reichsweit für die Verwertung von beschlagnahmtem Besitz zuständig – unter anderem die Sicherstellung mehrerer Münzen aus dem ehemaligen Besitz von Emil Julius Gumbel. Sie hatten sie zusammen mit weiteren Gegenständen „einer verschlossenen Einlage und dem Stahlfach 239“ bei der Depositenkasse U2 der Deutschen Bank u. Disconto-Gesellschaft entnommen und vorerst in einen Geldschrank beim Außendienst II. der Staatspolizeistelle Berlin eingelagert.
Das Finanzamt Moabit-West veranlasste einen Monat später die Abholung der Münzen, um sie Kurt Regling, dem damaligen Direktor des Münzkabinetts am Kaiser-Friedrich-Museum, zur Taxierung zu übergeben. Der Direktor schätzte die Münzsammlung auf einen Gesamtwert von 130 RM und wählte für das Münzkabinett einige Münzen aus „[…] für die ich [Kurt Regling] zusammen 42.– Mk. zu geben bereit bin; […].“
Für den Rest schlug Regling vier Berliner Händler vor, von denen Erich Rappaport schließlich die übrigen Münzen für 85 RM übernahm.
Auf die Schätzung und das Ankaufsangebot des Direktors folgte wenige Tage später das Einverständnis des Finanzamts Moabit-West. Ein in der Akte überlieferte Einzahlungsquittung belegt den Transfer der Münzen an das Münzkabinett des Kaiser-Friedrich-Museums. Die Verwertung der Münzsammlung war hiermit für die Finanzbehörde abgeschlossen. Welche und wie viele Münzen für das Münzkabinett ausgewählt wurden, geht aus der Akte nicht hervor.
Gumbels Münzen im Münzkabinett der SMB
In dem digitalisierten und online zugänglichen Erwerbungsbuch des Münzkabinetts, das die Neuzugänge zwischen 1926–1943 aufführt, belegt ein Eintrag den Übergang der Münzsammlung aus dem ehemaligen Besitz von Emil Julis Gumbel an das Münzkabinett. Unter der Überschrift „vom Finanzamt Moabit, 42M früher einem Herrn Gumbel gehörig. F 1258/34“ sind die Münzen mit weiteren Informationen aufgelistet (Nr. 1934/162-1934/203). Die unter Nr. 192 aufgeführte Whistmarke von der Prägefirma Loos findet sich mit einer Abbildung in dem interaktiven Katalog des Münzkabinetts.
Im Wiedergutmachungsverfahren meldete Gumbel 1958 den unrechtmäßigen Entzug seiner Münzsammlung an. Er erhielt für den Verlust von insgesamt 618 Münzen 600 DM Entschädigung – das entspricht knapp einer DM pro Münze. Weder schätzte ein Sachverständiger während des Prozesses die Sammlung, noch reklamierte man die Stücke im Münzkabinett, was vermutlich mit der Lage des Museums im sowjetischen Sektor der Stadt zusammenhing.
Die Provenienzforschung im OFP-Projekt hat das Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin über diesen Fund von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut in ihren Beständen informiert. Der Eintrag zu Emil Julius Gumbel in dem Normdatenportal des Münzkabinetts wurde bereits um die neuen Erkenntnisse aus dem OFP-Projekt ergänzt.