Die Landesgründung in Dokumenten #11

„Besserwessis zu Besuch“ – Verwaltungshilfe aus Nordrhein-Westfalen


Mit Inkrafttreten des Einigungsvertrags musste der Übergang einer zentralstaatlichen Verwaltung der DDR in ein Rechtsstaatssystem nach bundesdeutschem Vorbild erfolgen – einschließlich entsprechender Strukturen und Gesetze. Jedes neue Bundesland wurde dabei von mindestens einem alten Bundesland unterstützt. Gesetze, die die Rahmenbedingungen schufen und in Landeshoheit lagen, mussten zunächst erarbeitet und verabschiedet werden, Verwaltungsstrukturen aufgebaut und mit Personal ausgestattet werden.

Befristete Abordnungen oder gar endgültige Versetzungen von Landesbeamt*innen aus Nordrhein-Westfalen und dem Saarland sicherten die Aufrechterhaltung der täglichen und den Aufbau der künftigen Arbeit in den Brandenburger Behörden. Es wurde schriftlich oder telefonisch beraten, persönlich angeleitet und zusammengearbeitet. Der Staatsvertrag vom 12./13. März 1991 sah vor, dass das Land Nordrhein-Westfalen nicht nur für deren Bezüge, sondern auch für die Gratifikation ihrer Unterstützungsleistung in Form von Personalkostenzuschüssen aufkam. Diese Regelung führte wiederum zu Debatten über die Besoldung. So lag z. B. die Besoldung von neu ernannten ostdeutschen Beamt*innen im Jahr 1991 bei 60 Prozent, im Jahr 1994 bei etwa 80 Prozent der Gehälter für westdeutsche Beamt*innen.

Für Beschäftigte im Justizdienst war die persönliche personelle Unterstützung unabdingbar. Die Ausbildung von Richter*innen und Staatsanwält*innen war nur in Teilen mit der bundesdeutschen Ausbildung vergleichbar und bedeutete für übernommene Beschäftigte zunächst die Aufnahme von Fortbildungen. Die Tätigkeit in der Rechtsprechung und Strafverfolgung der DDR konnte eine Weiterbeschäftigung einiger Kader gar untragbar machen – darüber befanden zunächst Richterwahlausschüsse und Personalkommissionen. Einem kleinen eingeschränkt zur Verfügung stehenden Personalpool stand eine steigende Anzahl unerledigter Fälle und komplizierter Klageverfahren von (nicht nur) einigungs- und systembedingten Streitigkeiten gegenüber. Bei nicht wenigen Brandenburger*innen ging es dabei um existenzielle Angelegenheiten wie einer berufs- oder strafrechtlichen Rehabilitierung. Es ging um vordringliche materielle Fragen der Rückübertragung von Eigentum und Grundstücken, um Berechnung und Anerkennung von DDR-Renten, Ehescheidungen mit kompliziertem Versorgungsausgleich, nicht gezahlte Werklöhne oder Liquidation ganzer Betriebe und vieles mehr.


Archivfakt
Auch im Archivwesen mussten zentralistische Vorgaben der DDR durch landesgesetzliche Rahmenbedingungen abgelöst werden. In das Brandenburgische Archivgesetz (der erste Gesetzesentwurf der Landesregierung wurde dem Landtag am 19. Oktober 1993 vorgelegt) wurden z. B. Formulierungen aus Gesetzen der alten Bundesländer – unter anderem aus Nordrhein-Westfalen – geprüft und übernommen.

Zu den Akten in der Online-Datenbank (Datensätze)

BLHA, Rep. 1330 Brandenburgisches Oberlandesgericht Nr. 851

BLHA, Rep. 1330 Brandenburgisches Oberlandesgericht Nr. 1019

BLHA, Rep. 1330 Brandenburgisches Oberlandesgericht Nr. 1020

Zu den Beständen

Vorwort zum Bestand Rep. 1330 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Weiterführende Quellen

Mehr zur Geschichte der Amtsgerichte im Vorwort zur Bestandgruppe Rep. 1350 Amtsgerichte des Landes Brandenburg.

Rep. 1100 MP /Stk U 09, Staatsvertrag über die Gewährung von Personalkostenzuschüssen vom 12./13. März 1991 zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Land Brandenburg – Ratifikationsurkunde des Landes Brandenburg,
veröffentlicht im Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Brandenburg Teil II vom 24. Mai 1991.

Weiterführende Informationen

Der ehemalige Brandenburger Staatssekretär Rainer Bretschneider im Gespräch mit dem Deutschlandfunk (Beitrag vom 22.07.2015) „Besserwessis zu Besuch im Osten“.

Materialien zur Deutschen Einheit und zum Aufbau in den neuen Bundesländern, Bundestagsdrucksache Drucksache 12/6854, Bonn 1994, Parlamentsdokumentation des Deutschen Bundestages.

Politikwissenschaftliches Gutachten zum Thema: Schlüsselentscheidungen und Entwicklungspfade der politischen Transformation und Entwicklung in Brandenburg im Vergleich zu den anderen neuen Ländern für die Enquete-Kommission 5/1 „Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat im Land Brandenburg“

Abschlussbericht der Enquete-Kommission 5/1 „Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat im Land Brandenburg“, Potsdam 2014.

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