Die holprige Landung des roten Adlers

Es mögen ja gute Archivare sein, aber von Wappen und Heimatliebe haben sie keine Ahnung…“ Vor genau 30 Jahren erhielt das junge Land Brandenburg sein Wappentier. Archivare im damaligen Staatsarchiv Potsdam hatten den Entwurf erarbeitet. Doch dem 30. Mai 1991, als der rote Adler in seiner bekannten Form festgelegt wurde, ging eine Phase leidenschaftlicher Diskussionen voran. André Stellmacher berichtet über die  Ereignisse vor 30 Jahren.

Das Brandenburgische Landeshauptarchiv (damals noch Staatsarchiv Potsdam) ist der Entstehungsort und der Hüter der Urzeichnung des bis heute gültigen Wappens des Landes Brandenburg. Seine Beschreibung lautet: „Das Landeswappen zeigt auf einem Schild in Weiß (Silber) einen nach rechts blickenden, mit goldenen Kleestengeln auf den Flügeln gezierten und gold bewehrten roten Adler.“

Das umstrittene neue Landeswappen entsprang der Arbeitsgruppe „Wappen, Flagge, Siegel“, die zur Erarbeitung eines Gesetzesentwurfs für ebenjene Hoheitszeichen des Landes Brandenburg unter der Leitung von Hans-Joachim Schreckenbach – damals Abteilungsleiter im Staatsarchiv Potsdam – gebildet wurde. Die erste Fassung des Gesetzes lag am 25. September 1990 vor. Der darin enthaltene Wappenvorschlag war fast identisch mit dem heute gültigen Wappen und schon nach kurzer Zeit sogar inoffiziell im Gebrauch.

Der Gesetzentwurf wurde im Ausschuss für Inneres am 24. Januar 1991 zur Diskussion gestellt und am 10. April desselben Jahres als „Gesetz über die Hoheitszeichen des Landes Brandenburg“ (Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Nr. 4) publiziert. Die „Verordnung über die Führung des Landeswappens“ folgte am 30. Mai 1991 (veröffentlicht im Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 22 vom 20. August 1991). Am 20. Februar 1991 traf die Urzeichnung des Wappens im (mittlerweile umbenannten) Brandenburgischen Landeshauptarchiv ein. Auf Anregung des Archivs erfolgte eine Änderung im Detail, die am 18. Mai 1993 in Kraft trat.

Doch dem 30. Mai 1991, als der rote Adler in seiner bekannten Form als Wappentier des Landes Brandenburg festgelegt wurde, ging eine Phase voll leidenschaftlicher Diskussionen voran, begleitet von heute kaum noch vorstellbarer Polemik in der Presse.

Anlass waren sechs Thesen des Staatsarchivs Potsdam zum Wappen des künftigen Landes Brandenburg, veröffentlicht im Februar 1990 in den Brandenburgischen Neuesten Nachrichten (heute PNN), Der Morgen und der Märkischen Volksstimme (heute MAZ). Als erste Reaktion darauf erschien am 22. Februar 1990 in der Märkischen Union von Joachim Winter ein Entwurf, der den Adler mit Kurhut und Herzschild zeigt. Winter begrüßte sogar die Bildung eines „Freistaates Brandenburg“, der auch die früheren Besitzungen um und in Magdeburg, Halberstadt und Vorpommern umfassen sollte (es darf nicht vergessen werden, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt war, innerhalb welcher Grenzen das neue Bundesland entstehen würde), die sich dann wiederum im Wappen wiederfinden sollten.


Am 29. März 1990 folgte Kurt Markert, Gerichtsmediziner aus Potsdam, mit einem „Wappenfrevel im Land Brandenburg“ überschriebenen Leserbrief, in dem er unterstellte:

„Potsdamer Staatsarchivare wollen Roten Adler rupfen“.

Ferner polemisierte er, die Potsdamer Archivare seien „gar nicht so brav und mundartlich von weit südlich der Ick-Linie stammend“ – gemeint waren die zuständigen Bearbeiter Hans-Joachim Schreckenbach und Gebhard Falk (geboren in Dresden bzw. Plauen) sowie der damalige Direktor des Archivs, Friedrich Beck (dieser gebürtig aus Greiz).

„Märker, laßt es nicht zu, daß unser reichgeschmückter Roter Adler zum Zielobjekt von Verfremdern wird und ihm – wenn er dann wieder hochsteigen wird – auch nur eine Feder fehlt!“

Am 5. April 1990 stimmte der Potsdamer Christoph Moenecke ein:

„Wenn uns „Ausländer“ nun auch noch an unseren Roter Adler wollen, so sollte man sie des Landes verweisen … Es mögen ja gute Archivare sein, aber von Wappen und Heimatliebe haben sie keine Ahnung.“.

Die Gegendarstellung des Staatsarchivs vom 7. April 1990 in der Märkischen Volksstimme und am 12. April in den Brandenburgischen Neuesten Nachrichten wiederholte im Wesentlichen die sechs Thesen, die es bereits zu Beginn des Jahres veröffentlicht hatte und mahnte darüber hinaus zur Sachlichkeit. Ergebnis war eine am 20. April 1990 geschlossene Übereinkunft des Staatsarchivs mit Kurt Markert darüber, dass die Pressekampagne beendet und mehrere Wappenvarianten erarbeitet werden sollten.

Die Abgeordneten des Landtages ließen sich indes nicht von den Pressestimmen beeindrucken und stimmten für die ursprünglich von den Potsdamer Archivaren vorgeschlagene Version des Brandenburger Adlers ohne jegliche Beigaben, wie er sich seit dem späten 12. Jahrhundert auf den Siegeln der Markgrafen von Brandenburg nachweisen lässt und somit noch wesentlich älter ist, als der von den eingeborenen Märkern geforderte Adler, der „erst“ 1824 Kurstab, Kurhut und Kurschwert als Beigaben erhielt.

Siegel Markgraf Ludwigs II. von 1359 (Rep. 8 Guben U 22 B), das den natürlichen Adler ohne Beigaben zeigt