Digitalisierung stärkt internationale Holocaust-Forschung

Bild zeigt Akte mit NS-Formularen, im Hintergrund die Teilnehmer der Pressekonferenz
Pressekonferenz mit Klaus Neitmann (Direktor des Brandenburgischen Landeshauptarchivs), Martina Münch (Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur) und Radu Ioanid (Direktor des Internationalen Archivprogrammes des United States Holocaust Memorial Museum (USHMM), Foto: MWFK

Potsdam, 17. Januar 2018 Kultur- und Wissenschaftsministerin Martina Münch hat gemeinsam mit Klaus Neitmann, Direktor des Brandenburgischen Landeshauptarchivs und Radu Ioanid, Direktor des Internationalen Archivprogrammes des United States Holocaust Memorial Museum (USHMM), eine Kooperationsvereinbarung beider Einrichtungen zur engeren Zusammenarbeit präsentiert.

Martina Münch würdigte die Kooperation als Stärkung der internationalen Holocaust-Forschung . „Archive bewahren seit jeher umfangreiche Zeugnisse unserer Geschichte. Sie sind damit nicht nur das Gedächtnis einer Gesellschaft, sondern zugleich zentrale Quellen für das Verständnis unserer Vergangenheit und Gegenwart. Sie geben Orientierung in einer zunehmend komplexer werdenden Gesellschaft und können wichtige Wegweiser für die Gestaltung unserer Zukunft sein“, so Ministerin Münch. „Ich freue mich sehr, dass das Landeshauptarchiv und das Holocaust Memorial Museum ihre Zusammenarbeit mit der Kooperationsvereinbarung weiter intensivieren. Diese Zusammenarbeit leistet nicht nur einen wichtigen Beitrag zur erforderlichen Digitalisierung und zur Entwicklung neuer, insbesondere virtueller Zugänge zum weltweiten Wissen. Die Kooperation zur Aufarbeitung des millionenfachen Völkermordes an den Juden und der Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma sowie weiterer Gruppen und Menschen im Nationalsozialismus ist gerade heute – vor dem Hintergrund politischer Krisen und der Zunahme von Populismus, Nationalismus, Hass und Antisemitismus in Europa und der Welt – wichtiger denn je. Sie bestärkt uns als Landesregierung darin, rassistischen und antisemitischen Stimmungen bereits früh entschlossen entgegenzutreten und sich engagiert für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus und Freiheit einzusetzen.“

Radu Ioanid, Direktor des Internationalen Archivprogrammes des Holocaust Memorial Museums: „Das United States Holocaust Memorial Museum dankt dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv für seine herausragende Kooperation und seine Entscheidung, seine für uns relevanten Holocaust-bezogenen Archivalien in Form von Mikrofilmen mit uns zu teilen. Ganz besonders danken wir dem Direktor des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, Herrn Prof. Dr. Neitmann, für seine außerordentliche Unterstützung und sein starkes persönliches Engagement. Das United States Holocaust Museum ist dabei, ein umfassendes Archiv zur Dokumentation des Schicksals der Juden und anderer ethnischer, religiöser und politischer Gruppen, die von den Nazis und ihren Verbündeten während des Zweiten Weltkrieges systematisch verfolgt wurden, aufzubauen. Die Mikrofilme der entsprechenden Unterlagen im Brandenburgischen Landeshauptarchiv werden zukünftige vergleichende Forschung erleichtern und unsere gemeinsamen Anstrengungen zur Dokumentation des Holocaust stärken.“

Klaus Neitmann, Direktor des Brandenburgischen Landeshauptarchivs: „Das Digitalisierungsvorhaben der beiden Partner wird inhaltsreiche Aktengruppen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs über die Verfolgung der rassischen und politischen Gegner des NS-Regimes – wie etwa der Juden, Pfarrer der evangelischen Bekennenden Kirche, Sozialdemokraten und Kommunisten – in der damaligen Provinz Brandenburg der internationalen Holocaust-Forschung in den USA leicht zugänglich machen. Damit können wir Untersuchungen über die alltägliche Ausgrenzung und Vernichtung aller dem Nationalsozialismus missliebiger und ihm ‘widerständiger‘ Personen und Kreise entscheidend befördern. Mit dem Projekt steigt das Brandenburgische Landeshauptarchiv zugleich in die umfassende Digitalisierung von ausgewählten, historisch herausragenden Beständen ein. Diese wollen wir mittelfristig auch im Internet bereitstellen, so dass Nutzerinnen und Nutzer künftig einfacher als bislang Archiv-Quellen einsehen und auswerten können.“

Auf Grundlage der im Juni 2017 abgeschlossenen Kooperationsvereinbarung darf das Holocaust Memorial Museum ausgewählte Archivalien des Brandenburgischen Landeshauptarchivs zur Geschichte des NS-Staates von 1933 bis 1945 durch einen Dienstleister reproduzieren bzw. digitalisieren lassen und diese für seine eigenen wissenschaftlichen Zwecke sowie für die öffentliche Nutzung durch Dritte in seinen Räumlichkeiten verwenden. Das Landeshauptarchiv erhält im Gegenzug einen Satz der digitalisierten Archivalien zur eigenen Verwendung. Das zur Digitalisierung vorgesehene Archivgut betrifft sowohl jüdische Schicksale in Brandenburg nach 1933 als auch die Ausgrenzung und Verfolgung von politischen und kirchlichen Gegnern, Sinti und Roma sowie weiteren Gruppen, die nicht der völkischen Weltanschauung des NS-Regimes entsprachen oder gegen sie opponierten. Das Digitalisierungsprojekt umfasst 1.138 Akten mit rund 900.000 Seiten. In den vergangenen Monaten wurden die Vorarbeiten abgeschlossen und technische Fragen geklärt – ab jetzt kann die eigentliche Digitalisierungsarbeit beginnen.

Das 1993 eröffnete United States Holocaust Memorial Museum (USHMM) in Washington, D.C. ist nationale Gedenkstätte für die rund sechs Millionen jüdischen Opfer des Holocaust, arbeitet die Geschichte des nationalsozialistischen Völkermordes auf und präsentiert sie in zahlreichen Ausstellungen und Veröffentlichungen. Jedes Jahr besuchen rund 1,7 Millionen Menschen den Gedenkort und das Museum. Seit 2011 vergibt das United States Holocaust Memorial Museum den ‘Elie Wiesel Award‘ an Personen, die sich in besonderer Weise für eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, die Erinnerung an den Holocaust und die Würde jedes Menschen einsetzen. Im vergangenen Jahr wurde Angela Merkel mit dem Preis ausgezeichnet. Das Museum kooperiert in Deutschland – außer mit dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv – auch mit den Staatsarchiven in Berlin, Hamburg und Bayern.

Das 1949 gegründete Brandenburgische Landeshauptarchiv ist als nachgeordnete Einrichtung des Kultur- und Wissenschaftsministeriums für alle archivwürdigen Unterlagen zuständig, die bei Verfassungsorganen, Behörden, Gerichten und sonstigen Stellen des Landes und deren Vorgängern entstehen. Das Archiv mit seinen rund 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erschließt die Bestände, stellt sie für eine vielfältige Nutzung zu amtlichen, geschichtswissenschaftlichen, orts- und familiengeschichtlichen, publizistischen oder Bildungszwecken bereit und wirkt an der Erforschung und Darstellung der Landesgeschichte mit. Die vom Landeshauptarchiv verwahrte Überlieferung hat einen Umfang von mehr als 50 laufenden Kilometern. Sie setzt im 12. Jahrhundert ein – das älteste Dokument ist eine Urkunde des ersten brandenburgischen Markgrafen Albrecht des Bären von 1160 – und reicht mit Akten der Landesregierung bis in den Anfang des 21. Jahrhunderts. Das Landeshauptarchiv hat 2016 ein modernes Archiv-, Werkstatt- und Bürogebäude im Wissenschaftspark Golm bezogen. Das Land stellt dem Archiv in diesem Jahr rund acht Millionen Euro für seine Arbeit zur Verfügung.

Hier finden Sie die vollständige Pressemitteilung des brandenburgischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur.